Versteckte Andeutung, Anspielung, Anzüglichkeit - ,, Innuendo “ ; der klangvolle englische Titel von Lukas Duwenhöggers Ausstellung bezeichnet jene distanziert – zurückhaltenden Zweideutigkeiten, die zumeist von einem wissenden Kopfnicken begleitet werden, mit dem die auf der sicheren Seite unauffaellig auf die deuten, die auffaellig geworden sind : die Anderen. Wetten, die auf diese Weise auf die Sexualitaet von Personen abgeschlossen werden, bilden den Modellfall für dieses mal mehr, mal weniger gewaltsame Spiel der jeweils Herrschenden, ihren Gegenstand zugleich zum Thema zu machen wie zu verschweigen, an die Öffentlichkeit zu zwingen wie sich selbst zu überlassen, anzueignen wie zu verwerfen.
Die Logik des ,,offenen Geheimnisses” , wie sie in unterschiedlichsten Innuendoes immer wieder inszeniert wird, ist von der Geschichte der Homosexualitaet nicht zu trennen. Wie Eve Kosofsky Sedgwick feststellt, ist die unterdrückerische Wirksamkeit dieser Logik trotz Schwulenbewegung und den vemehrten Artikulationen ,, der Liebe, die dafür bekannt ist, daβ sie ihren Namen nicht zu sagen wagt” , ungebrochen. Die jeweils konkreten Zwaenge sozialer Anerkennung ( etwa durch den neuen Chef, die Vermieterin, den Sozialarbeiter oder die Aerztin ) und kommunikativer Rituale ( weiβ ,, es ”mein Gegenüber, wenn nein, muβ, sollte, will ich ,, es “ sagen und wie ) zwingen auch haeufig noch diejenigen, die offensiv ,, out “ sind, zu einem nicht selten doppelt gebundenen Balanceakt zwischen Öffentlichkeit und Privatheit, Enthüllung und Geheimnis, Outing und Closet. Die wissend anzüglichen Zweideutigkeiten, mit denen sich der Heterosexismus über das verstaendigt, was er nicht ist, haben daher ein Komplement – und teilweise auch ihren Gegenstand – in den Anspielungen und Referenzsystemen, die die Alltagsbewaeltigung Homosexueller strukturieren.
Lukas Duwenhöggers Ausstellung praesentiert Namen, Farben und Dinge, auf die hin schon oft wissend genickt worden ist. Der Versuch ihrer Benennung oder Beschreibung kann daher leicht zum Innuendo geraten ; angefangen beim Meta – Attribut ,, camp “ , das – wie in der Pressemitteilung zu ,, Innuendo “ zu lesen – haeufig ,, im Zusammenhang mit Lukas Duwenhöggers Arbeit gefallen ist “ und das – von den verschiedensten Seiten und in unterschiedlichen Kontexten mal mehr, mal weniger sympathisierend eingesetzt – schon fast zum Synonym für einen Bereich offen schwuler Praxis, Kultur und Aesthetik geworden ist. Es scheint nahezu unmöglich, in einer Ausstellung, die nicht nur die Logik des ,, offenen Geheimnisses “ bearbeitet, sondern auch noch einige der mit ihr zusammenhaengenden semantischen Resonanzböden quer durch den kleinen Galerien – Raum spannt, den Fuβ auf den Boden neutraler Beschreibungen zu bekommen. ,, Innuendo “ inszeniert ein Rendezvous mit kulturell sedimentierten Definitionen maennlicher Homosexualitaet, deren Wirksamkeit sich überall auszubreiten scheint. Neben und durch die Kategorien privat / öffentlich, Geheimnis / Enthüllung hindurch markieren sie ein ganzes Cluster weiterer Kategorienpaare wie maskulin / feminin, gleich / anders,natürlich / künstlich, frei / abhaengig,avantgardistisch / nostalgisch, ernsthaft / sentimental, unschuldig / eingeweiht, Konstruktion / Dekoration, Kunst / Kitsch , Form / Inhalt, Wahrnehmung / Paranoia. Wie die Schraegstriche zwischen diesen Kategorien ist ,, Innuendo “ in der Diagonale organisiert. Und die erscheint instabil, durchlaessig, bedroht.
Eines der drei Installationselemente, ein ovales Bild mit medaillonartiger, holzkugelnbesetzter Rahmung, verschwindet mit dem rechten Rand in einer Wandverkleidung – so, als könne es sich nicht einpassen in den white cube, so, als habe es mehr mit dem Schicksal jener unter Rohrverkleidungen verschwindenden dekorativen Landschaftsmalereien zu tun, wie man sie manchmal noch in Berliner Treppenhaeusern findet. Ein zweites Element befindet sich in der Mitte des Raumes : An einem unter der Decke schwebenden und mit Blumendarstellungen bemalten lila Federbett sind vier lange Perlenketten befestigt, die an ihrem unteren Ende, ungefaehr einen Meter über dem Boden, eine ovale und an den Befestigungsstellen mit rosa Seidenschleifen geschmückte Glasplatte halten, auf der wiederum ein aus leicht angefeuchtetem Sand geformter Schmetterling sitzt. Ein Windstoβ, und alles setzt sich in eine sanft bedrohliche Bewegung. Von unachtsamen BetrachterInnen gar nicht zu reden. Das dritte Element, ein fragiles Beistelltischchen, steht leicht verloren an der linken Seite der Galerie und bildet den Endpunkt der instabilen Diagonale. Öffnet man die Schublade des im Stile des britischen Art Nouveau mit Chinoiserien gehaltenen Tischchens, sieht man durch eine Schicht kleiner weiβer Federn, daβ die Schublade mit Tapetenpapier aus den 50er Jahren ausgekleidet ist. Bedruckt ist es mit dem Werbetext der Firma Chivers ( Marmelade ) : ,, Go gay in this easy chivers way ! “ Das C von Chivers ist jeweils durchgestrichen und durch ein S ersetzt. ,, Shiver “. Aus einem auf dem Ausstellungtischchen wie beilaeufig abgestellten holzverkleideten Kassettenrecorder ertönt der Mitschnitt einer Radiomoderation, die eine Reggae – Gruppe names Gaylords ankündigt. Der anzüglich verkicherte Text versichert den Hörern, daβ die Gruppe sich aus ,, offensichtlichen Gründen “ nicht ,, deswegen “ so benannt habe : ,, Back in the sixties , gay just meant to have a jolly good time .“ Schweift der Blick nun noch einmal auf das das schwebende Federbett, das mit dem staendig vom Zerfall bedrohten Schmetterling ( der Mode, der Dandies, der kleinen Maedchen ) durch ein paar Perlenschnüre verbunden ist, so faellt auf, daβ es mit Darstellungen jener Blumen bemalt ist, durch deren Namen hindurch schon oft ,, homosexuell “ gesagt wurde : ,, Pansies “ und ,, Daisies “ . Und dann natürlich das Bild. Auch ihm kann von der anderen Seite der Diagonale her, aus dem kleinen Kassettenrecorder, ein im Loop hinter die Radiomoderation geschnittener Sound zugeordnet werden. Wer Cecil Beatons ,, My Fair Lady “ gesehen hat, wird sich erinnern : Elizas anfeuernder Aufschrei ,, Common move your glooming arse “ zieht wie der Schatten der vorbeidonnernden Rennpferde über die vornehme Ascot – Gesellschaft ; Eliza ist – durch ihre unglaublich opulente Aufmachung hindurch – als das ,, out “ , was sie vor den Domestizierungsversuchen durch Dr. Higgins war. Als einfaches Blumenmaedchen . Beatons Inspiration für die Kostüme dieser Szene geht nachweislich auf ein 1911 entstandenes und ,, Le Jour des Drags “ betiteltes Foto von Jacques – Henri Lartigue zurück. ,, Verkleidung “ war übrigens aus der Sicht des groβbürgerlichen, sport und technikbegeisterten Fotografen Lartigue auch Zeichen von Anstöβigkeit. In sein Notizbuch schrieb er mild -abfaellige Bemerkungen über ,, ein wenig zu ausstaffierte “ Frauen, vor allem über jene, die ,, man “ 1911 ,, Mannequins “ nennt und denen die anderen ,, Damen nicht Guten Tag sagen”. ,, Le Jour des Drags “ nun bildet auch die Vorlage für Duwenhöggers wie nachkoloriert wirkendes und im Stile der Ton – in – Ton Malerei dekorativer Portraits gehaltenes Gemaelde. Zu sehen sind drei in edwardianische Roben gewandete Frauen, deren Hüte die schwarzweiβe Pracht der Gewaender noch mit ausladenden Federn und Schleifen zu überbieten scheinen. Alle drei Gestalten stehen auf Stühlen und sehen über ein Gelaender hinweg auf eine Rennbahn ( die von Auteuil in diesem Fall ). In Duwenhöggers gemalter, den Ausschnitt der Vorlage erweiternden Version verliert sich der Rennbahn – Hintergrund zugunsten einer gröβeren Konkretion und Distinktheit der Kostüme. Neben diesem, einmal mehr die Wirkung des Dekorativen verstaerkenden Effekts, stellt sich der Hintergrund nun als ozeanische Weite dar, die sich hinter dem Gelaender in den Farben der Nostalgie öffnet. Und die drei Gestalten, die in Lartigues Momentaufnahme einen eher robusten Eindruck machen, werden bei Duwenhögger zu schlanken Figuren geradezu utopischer Eleganz, deren erwartungsvoll in die Weite gerichtete Haltung Stolz, Sehnsucht und Sentiment verheiβt.
Waehrend es auf einer ersten, oberflaechlichen Ebene so aussehen kann, als würde mit ,, Innuendo “ illustriert, wie die aus unterschiedlichsten Kontexten zusammengestellten Elemente eben ,eindeutig zweideutig’ werden können, wird doch auf einer zweiten Ebene dieser Eindruck, daβ sich alles aehnlich einem paranoischen System schlieβt, von sich gegenseitig kreuzenden, umstülpenden oder aufeinanderprallenden Referenzen immer wieder aufgebrochen. Das Spiel der in ,, Innuendo “ be-und angespielten kulturellen Codes verweist nicht nur auf den aus solchen Codes bestehenden “Alltagsgranit ” (Pressemitteilung), sondern auch auf die Möglichkeit, in diesem ein paar Risse zu finden. – Nicht selten liegen sie in der Diagonale.